Was sind Aggressionen? Wie bekommt man sie in den Griff?

    Wenn Menschen darüber nachdenken (müssen), wie sie ihre Aggressionen in den Griff bekommen können, wissen sie manchmal weder, woher ihr aggressives Fühlen und Verhalten stammt, noch welchen Ursprung in der Menschheits- beziehungsweise Primatenentwicklung Aggressionen haben. Eines steht nämlich fest: Über Jahrmillionen waren Aggressionen zum Überleben notwendig.

    Flucht oder Angriff: Rolle der Aggression

    Das Wort Aggressivität kommt vom lateinischen “aggredi”, und das bedeutet, etwas anzugreifen oder auch „heranzugehen”. Wer zwei streitende Nashörner oder Affen beobachtet, kann den Vorgang sofort deuten. Sie bewegen sich aufeinander zu und entscheiden dann in wenigen Sekunden, ob sie sich angreifen oder aus dem Weg gehen sollen. In der Erforschung der urmenschlichen Geschichte hat dieses Verhalten als “Neandertalerreflex” Eingang gefunden.

    Irgendein Forscher hat behauptet, als sich Urmenschen und Neandertaler vor 30.000 Jahren auf europäischen Savannen begegneten, hätten beide Seiten ständig zwischen “Flucht oder Angriff” entscheiden müssen, wobei als dritte Komponente schließlich noch die Option der Kooperation hinzugekommen wäre. Das hat sich tief in unser Gehirn eingeprägt, unser Gruß mit den Augen und per Handschlag basiert darauf. Wir beweisen damit den Willen zur Kooperation und schließen sowohl Flucht als auch Angriff aus. Das menschliche Aggressionsverhalten ist allerdings um Jahrmillionen älter. Aggressiv sind unsere Vorfahren, die Menschaffen. Sie können sonst im Dschungel und auf der Steppe nicht überleben. Wie um alles in der Welt sollen wir da unsere Aggressionen in den Griff bekommen?

    Was sind Aggressionen?

    Eine Aggression ist die Bereitschaft zu gewalttätigem Handeln, nicht die Ausführung der Handlung selbst. Diese kann, muss aber nicht von Aggression begleitet sein. Soldaten, die mit Waffen über große Entfernungen töten, ohne den Gegner zu sehen, empfinden dabei manchmal Aggressionen, manchmal auch nicht. Umgekehrt kann die Bereitschaft zur Gewaltausübung ohne jede Tat, sogar ohne Wort, Geste oder Blick als Aggression verstanden werden, denn Aggressionen lassen sich direkt in die Kommunikation übersetzen.

    Wenn ein Partner eines Liebespaares auf eine liebevolle Geste des anderen Partners nicht oder abfällig reagiert, kann das als Aggression empfunden werden. Vordrängeln in der Schlange wirkt ebenso aggressiv wie das Setzen eines Kontaktes in einem sozialen Netzwerk auf die Blacklist – ohne wichtigen Grund, wohlgemerkt. Jedoch sind diese beschriebenen Handlungen unterhalb der Gewaltschwelle weder von Sanktionen bedroht, noch müssen sie unbedingt einen aggressiven Hintergrund haben.

    Es gibt auch den Hintergrund der moralischen Fahrlässigkeit, der Abwertung oder der Demütigung. Das sind nicht oder nicht unbedingt Aggressionen. Diese bedeuten eine Bereitschaft zur Gewalt. In einem wichtigen Punkt erfasst der Gesetzgeber inzwischen gewaltlose Aggressionen als Straftat, nämlich beim Stalking.

    Formen der Aggression

    Aggression äußert sich in verschiedenen Formen:

    • direkte körperliche Gewaltausübung gegen eine Person mit oder ohne Waffe
    • verbale Gewalt (mündlich und schriftlich)
    • Stalking
    • Rowdytum auch im Straßenverkehr
    • Sachbeschädigung
    • Rufmord
    • sexuelle Gewalt
    • aggressives wirtschaftliches Handeln inklusive Protz oder Bestechung

    Es gibt subtile Formen der Aggression von intelligenten, gebildeten und kultivierten Personen, die nur schwer als Aggressivität zu deuten sind und dennoch tödlich enden können. Bekannt sind beispielsweise Fälle von Jugendlichen, die durch mindestens ein Elternteil ständig herabgewürdigt werden, und zwar mit leisen Worten und ohne jede Handgreiflichkeit: “Du kannst es einfach nicht!” Das führt in einigen Fällen zum Suizid der Betroffenen.

    Kann man seine Aggressionen in den Griff bekommen?

    Die potenzielle Veranlagung zur Aggressivität hat zwei sehr wichtige Komponenten:

    • eine genetische (hormonelle) Veranlagung
    • die frühkindliche Prägung in einem aggressiven Umfeld, angefangen beim Elternhaus

    Diese Punkte bedingen sich auf prekäre Weise. Der Sohn eines aggressiven Vaters, der schon allein hormonell entsprechend veranlagt ist, erfährt eine Potenzierung seiner Aggressivität durch die Gewaltausbrüche des Vaters, die das Kind lehren, auf der Hut zu sein und nötigenfalls Gewalt als Mittel einzusetzen. Wenn das Ganze in einem sozial schwachen Umfeld stattfindet, also in einer Vorstadt mit einer Ansammlung solcher Familien und der entsprechenden Gang-Kriminalität auf der Straße und in der Schule, dann ist dieser Junge massiv vorgeprägt und könnte Jahrzehnte seines Lebens benötigen, um das Problem überhaupt zu erkennen und später entsprechend zu bearbeiten.

    Jedoch kann er oder sie seine (ihre) Aggressionen in den Griff bekommen. Zunächst einmal muss der/die Betroffene den Mechanismus eines Gewaltausbruches richtig verstehen. Hierzu gibt es diverse Studien, die den Zusammenhang zwischen hormonellen Vorgängen (vor allem der Ausschüttung von Testosteron) und Aggressivität belegen.

    Ohne die Biochemie allzu sehr zu bemühen, soll noch darauf verwiesen werden, dass die wesentlichen Hormone ihre Wirkung vorrangig über den Hypothalamus entfalten, also jenem Steuerzentrum unseres vegetativen Nervensystems, das automatische Reflexe (wie das Schließen der Lider bei einer raschen Bewegung vor den Augen) auslöst. Die Reaktionen kommen in Sekunden ohne kognitive Beschlussfassung. Ein schlagender Gewalttäter hat oft (aber nicht immer!) drei Sekunden vor dem Schlag noch nicht gewusst, dass er schlagen würde.

    Wenn er nun diesen Mechanismus beherrschen, mithin den Impuls unterdrücken will, muss er die auslösenden Trigger kennen, sie im Vorfeld kognitiv bearbeiten (“ich darf nicht schlagen”) und sich Rituale aneignen, um dem eigenen Gewaltausbruch rechtzeitig zu begegnen. Ein Ausweichen vor der Situation ist hilfreich. Die Gesellschaft wiederum muss Tätern die Konsequenzen sehr deutlich machen. Ein Täter fühlt nämlich keine wirkliche Reue nach dem Gewaltausbruch, so sehr diese vor Gericht auch vorgetragen wird. In Wahrheit fühlte er sich unmittelbar nach dem Gewaltakt sehr deutlich entlastet.

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